Kriminelle Schwarzfahrer?

Ich würde behaupten, dass 99 % aller Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln schon einmal in die Situation gekommen sind: Fahrschein ziehen, ja oder nein? Schwarzfahrer sein, ja oder nein?

Ob es daran lag, dass man gerade nicht das passende Kleingeld zur Hand hatte oder man nur mal eben zwei Haltestellen fahren wollte, weil man zu einem wichtigen Termin musste, es aber angefangen hat wie aus Eimern zu regnen oder oder oder…

Sind Sie oder der Betreffende deshalb ein Straftäter? Sind Schwarzfahrer Straftäter?

Die derzeitige gesetzliche Lage der Schwarzfahrer

Gemäß § 265a StGB (Strafgesetzbuch) gilt:

Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Jeder aufmerksame Leser dürfte sich bereits an dieser Stelle die Frage stellen: Was heißt eigentlich erschleichen? Möglicherweise bin ich mal ohne Fahrschein gefahren, war also Schwarzfahrer, aber in die Bahn oder den Bus geschlichen habe ich mich deshalb nicht.

Nun ja, so sieht es auch der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer, nachzulesen hier. Wer öffentlich in eine Bahn einsteigt, muss sich wohl kaum einschleichen. Spielt keine Rolle, sagt der BGH, denn ein Erschleichen liegt auch vor, wenn man den Anschein einer ordnungsgemäßen Benutzung erweckt. Hier darf daran erinnert werden, dass ein Strafgesetz so bestimmt sein muss, dass jeder dieses verstehen können muss. Kann man das in diesem Falle noch, hätten Sie das „Erschleichen“ so definiert?

Aber genug von juristischer Dogmatik und „Erbsenzählerei“ oder sollten wir nicht doch hin und wieder ein paar Erbsen zählen?

Überlastung der Justiz durch Verfolgung von Schwarzfahrern

Kein Geheimnis dürfte es sein, dass es – unabhängig von der juristischen Definition – als völlig einleuchtend erscheinen dürfte, dass ein Strafgericht sich mit anderen Angelegenheiten, als mit derartigen Bagatelldelikten beschäftigen sollte. In der gerichtlichen Praxis kommt es durchaus vor, dass ein ganzer Verhandlungstag für Verhandlungen rund um das Thema Schwarzfahren / Schwarzfahrer drauf geht. In der Regel werden die „Täter“ zu Geldstrafen verurteilt. Dass die Geldstrafen ohnehin fast ausnahmslos Menschen trifft, die ohnehin schon kein Geld für die Fahrkarte hatten, lassen wir mal dahingestellt.

Jedenfalls dürfte der Aufwand, welcher betrieben wird, um einen Schwarzfahrer gerichtlich abzufertigen, weitaus höhere Kosten verursachen, als der Schwarzfahrer Schaden angerichtet hat.

Neue Tendenzen zum Schwarzfahren

Zwar nicht neu – da bereits seit Jahren aus den Reihen linker Gruppierungen gefordert – aber unerwartet, kommt nunmehr selbst aus den Reihen der CDU der Vorschlag Schwarzfahrer zu entkriminalisieren. Hierzu berichtet der Tagesspiegel in einem Artikel vom heutigen Tage.

Unter den meisten Juristen gilt das Schwarzfahren als sinnlose Kriminalisierung. Dennoch stellt man Schwarzfahrer auf die gleiche Stufe wie viele andere Straftäter.

Man stelle sich eine Kriminalstatistik vor, die ohne Schwarzfahrer auskommt. Welch Loblied könnte eine Regierung anstimmen, wenn Schwarzfahrer zukünftig keine Straftäter mehr wären. Es würde sich wahrscheinlich in etwa so lesen: „Kriminalstatistik innerhalb eines Jahres auf die Hälfte reduziert.“ oder „Regierung vollbringt Meisterwerk, Straftaten auf niedrigstem Niveau der deutschen Geschichte.“

In diesem Sinne: Nur Mut liebe Regierungsmitglieder des Bundes und der Länder. Eine solche Chance bekommt man nicht immer.

 

P.S. Vielleicht denkt ihr gleich noch über viele weitere sinnlose Kriminalisierungen nach… Dann bleibt mehr Zeit und Geld für die wirklichen Bedrohungen.

 

 

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Anwaltskanzlei Göde

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14469 Potsdam

 

 

 

2 Gedanken zu „Kriminelle Schwarzfahrer?“

  1. Am Mittwoch, den 21.2.18, 13:00 Uhr findet ein Interview mit dem Verfasser auf Radio Potsdam (89,2) statt.

    Wer möchte, einfach reinhören

    Göde

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